Cali – ein gebührender Abschluss Kolumbiens

Ich geb ja zu, dass unsere Reise durch Kolumbien, bis auf die jeweils kurzen Abstecher in die ländlichen Gegenden, mehrheitlich städtisch geprägt war. Weil aber Kolumbien vor allem seines tiefenentspannten Lebensgefühls, sowie der Freude die die Leute tagtäglich an den Tag legen wegen anziehend ist, zieht es auch uns vornehmlich in städtische Gebiete. Alles aber gar nicht so schlimm, hat doch jede Stadt in Kolumbien ihren ganz eigenen Flair, ihre ganz eigene Geschichte und vorallem ihr ganz eigenes Herz. Cali, unser letzter Stopp in Kolumbien weiss das von uns so geliebte, ganz spezielle Lebensgefühl noch einmal doppelt zu unterstreichen, denn Cali packt diesbezüglich tatsächlich noch eine Schippe drauf.

Gefährlich, Drogenhölle, kriminell und lebensgefährlich – Beschreibungsmerkmale die wir wohl fast täglich während unserer über fünfwöchigen Reise durch das im Norden von Südamerika gelegene Land zu hören bekommen. Wir allerdings wissen diesbezüglich mittlerweile: Nichts wird so heiss gegessen, wie es gekocht wird. Noch nie nämlich haben wir uns in Kolumbien unsicher gefühlt. Im Gegenteil, fühlen wir uns fast wie in keinem anderen Land derart willkommen und herzlich aufgenommen. Obschon bereits unglaublich herzliche Menschen getroffen, weiss Cali dies zu übertreffen. Und trotzdem ist die im Südwesten gelegene Stadt nicht nur eine der eigenwilligsten, auch findet man vielleicht nicht gleich auf den ersten Blick Gefallen an dem von Wildbau geprägten Anblick der Millionenstadt. Obschon die Innenstadt Calis in wie so üblicher spanischer Kolonialarchitektur glänzt, auf dem Hauptplatz mindestens eine Kirche stolz emporragt, und das gleich neben dem Zentrum gelegene historische Viertel San Antonio mit seinen verwinkelten, kopfsteingepflasterten Gassen entzückt, scheint der Funke nicht von Beginn an überzuspringen.

Ja es dauert ein bisschen, wenn auch nur wenige Stunden, bis sie uns hat, die Faszination für die Arbeiterstadt. Eine Stadt mit ihrem unvergleichlichen Rhythmus. Salsa, heisst das Zauberwort. Und Salsa wird in Cali nicht nur getanzt, es wird gelebt. Noch während wir uns durch die schwüle Hitze Calis bewegen, uns an leicht bekleideten Menschen, auf deren Gesichtern ein dünner Schweissfilm klebt, vorbei kämpfen, hören wir ihn fast ununterbrochen. Den Salsabeat, der aus grossen Boxen wummert, dabei nicht nur das Nachtleben beschallt, sondern auch tagsüber den Lärm der Grossstadt übertönt. Ein weiteres Mal lassen wir Sightseeing Sightseeing sein, spazieren gemütlich entlang der Promenade des Rio Cali, durchs Zentrum bis in den Stadtteil San Antonio einzig und allein um das ganz spezielle Flair, den Rhythmus und das entspannte Lebensgefühl der Arbeiterstadt Cali in uns aufzusaugen. Davon anstecken lassen wir uns relativ schnell, entsprechend entspannt lassen wir auch die letzten Tage in Kolumbien ausklingen.

Apéro über den Dächern von Cali

Das Cali-Erlebnis allerdings ist nicht das echte Cali-Erlebnis, solange nicht selbst das Tanzbein geschwungen wird. Salsa ist hier allgegenwärtig. Das bisschen Hüfte schwingen und Füsse trippeln kann ja wohl nicht so schwierig sein. Denken wir zumindest, denn Aussehen tut es jedenfalls supereasy… Und so wagen auch wir uns mit unserem beispiellosen Taktgefühl und grenzenlosen Körpergefühl an die heissen Rhythmen des Südamerikanischen Tanzes. Nun gut, dass uns das Rhythmusgefühl leider nicht wie bei so manchem Südamerikaner in die Wiege gelegt wurde, merken wir relativ schnell. Dennoch beweist Danny unser Tanzlehrer indessen ziemlich viel Geduld. Die ersten Grundschritte auch „Pasos basicos“ genannt, sind noch einfach. Vor, zurück, Hüfte hin und her, seitwärts, zusammen und alles von vorne. Ich geb ja zu, dass wir nicht das erste Mal tanzen, uns zu Hause bereits einige wenige einfache Tanzstile aneigneten und uns dabei gar nicht mal so doof angestellt haben. Und trotzdem ist es zum verzweifeln. Spätestens nämlich als Danny uns den Grundschritt namens „Dinos“ beibringen will, hört der Spass auf. Ich habe keine Ahnung wie man diesen Schritt wirklich nennt, möchte mich damit aber auch nicht weiter auseinandersetzen, denn ich hasse ihn. Ja, genau so wie ich es sage! Es ist zum verzweifeln, während andere im Nebenraum wunderschöne Figuren tanzen, eine Leichtigkeit an den Tag legen, als gäbe es nichts einfacheres als sich dem Salsagefühl hinzugeben und voller Freude über die Tanzfläche zu gleiten, harzt es bei uns, und zwar gewaltig. Mal bin ich es, mal ist es Dominique der am Takt, den Schritten oder sonstigem verzweifelt. Auch Danny zweifelt zwischenzeitlich wohl nicht nur an unseren Fähigkeiten, sondern ebenso an seinen als Tanzlehrer. Und obschon viel fluchen den Tag erfüllt, sich Verzweiflung breit macht, geniessen wir die Stunden mit Danny auch, denn Spass macht es ohnehin, ob Fortschritte auszumachen sind oder nicht. Vier Tage geben wir unser Bestes, lernen, schwitzen, tanzen, wiederholen, verwerfen die Hände, fluchen und würde es die verdammten „Dinos“ nicht geben, wäre mit Sicherheit zwischen uns und den professionellen Salsatänzern in Cali mittlerweile kaum ein Unterschied auszumachen. Ok vielleicht nicht ganz, aber schliesslich ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Wir jedenfalls hatten unseren Spass, auch wenn Salsa definitiv nicht zu einem unserer Talente gehört. Und so hängen wir unsere Tanzkarriere nach nur vier Tagen wieder an den Nagel und machen damit wohl nicht nur der Salsawelt sondern insbesondere auch Danny unserem verzweifelten Tanzlehrer den grössten Gefallen überhaupt.

Und alle, die jetzt schadenfreudig auf Fotos und Videos warten, die unseren gnadenlosen Untergang in der so wunderbar lebensfreudigen Salsawelt beweisen, muss ich leider enttäuschen, denn die gibt es nicht. Und auch wenn es die gäbe, würden diese gut verschlossen in der hintersten Ecke verwahrt bleiben – für immer!

Aber auch wenn Salsa in unserem Lebenslauf wohl niemals was zu suchen hat, wir in einer anderen Welt wohl besser aufgehoben sind, tauchen wir noch ein letztes Mal so richtig ein, in das „Salsa-Erlebnis Cali“. Abend für Abend nämlich füllen sich die Nachtclubs in ganz Cali. Tanzwütige Männer, reizende Frauen, alle tanzen sie kreuz und quer über die Tanzflächen der Stadt. Während wir den netten Menschen in Cali lieber keine Tränen in die Augen treiben wollen, bleiben wir vornehmlich sitzen, lassen unser nicht vorhandenes Tanztalent noch ein bisschen schlummern und geniessen als faszinierte Zuschauer das einmalige Schauspiel. Die Stimmung, die Tänze es ist ein einmaliges Erlebnis. Und noch während ich dasitze, den eleganten Tanzpaaren auf der Tanzfläche voller Freude zusehe, schiesst mir nur ein Gedanke ununterbrochen durch den Kopf: „Diese verdammten Dinos…..!“

Das Vorhaben Salsa legen wir nun aber definitiv ad acta, vielmehr machen wir wieder das, was wir besser können: Lachen, Feiern und Bier trinken. Und dass wir das wirklich gut können, die netten Leute in Cali uns diesbezüglich in nichts nachstehen, beweisen wir nur einen Tag später.

Wir schreiben den 23. Juni 2017. Zusammen mit Frank und Rebecca aus Deutschland schauen wir uns das WM-Spiel Deutschland – Schweden an. Tatort: eine urige Kneipe inmitten der Innenstadt Calis, wo sich ausser uns ausschliesslich Männer höheren Alters verirren. Wir lieben ja die urigen, einfachen Orte, wo sich noch das normale alltägliche Leben abzuspielen scheint. Und ein ganz normaler Nachmittags an genau so einem Ort mitten im Juni wird zu einem, wenn nicht sogar zu dem Highlight überhaupt unserer Kolumbienreise. Alles beginnt schön entspannt, während wir den Untergang Deutschlands mit unseren zwei Freunden aus dem Nachbarland mit ansehen. Wer sich noch an das Spiel erinnern mag, (ja ich weiss, ist doch schon ein Weilchen her..;-)) weiss, dass die Nerven der Deutschen damals bis aufs Äusserste strapaziert wurden. Die Anspannung in der Kneipe indessen ist gross, insbesondere bei Frank unserem Fussballfan schlechthin. Je mehr Minuten die Uhr anzeigt, desto mehr Farbe entweicht seinem Gesicht. Schnell sind wir in der Kneipe das Gesprächsthema Nummer eins und wohl jeder der sich in dieser befindet, weiss wer wir sind und woher wir kommen. Mitgefühl macht sich breit unter den Gästen. Obschon nicht Deutschland-Fan leiden sie mit den beiden. So auch wir. Vom Nachbartisch wird Bier ausgegeben und mitgefiebert. Alle starren sie gespannt auf den an der Wand hängenden Fernseher, während alles verloren zu sein scheint. Die Stimmung am Boden…bis, ja bis zu dieser allerletzten Chance. Die Uhr zählt bereits die 95. Minute, während kurz vor dem Schlusspfiff der Ball doch noch im schwedischen Tor landet. Ein Aufschrei geht durch die Kneipe. Alle jubeln, applaudieren, gratulieren und freuen sich tatsächlich über den Sieg von Deutschland. Insbesondere unseren zwei deutschen Weggefährten ist die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Frank der mit den Nerven am Ende zu sein scheint, sieht nur noch eine Lösung: Rum muss her und zwar für alle. Das „Unheil“ nimmt damit seinen Anfang. Schnell legt der ältere Besitzer der Kneipe Musik auf und keine Minute später wird getanzt, gelacht und getrunken. Und obschon wir mit wildfremden, vornehmlich älteren Herren feiern, liegen wir uns in den Armen, erzählen unsere Geschichten und freuen uns des Lebens. Ein weiteres Beispiel mit welcher Hingabe die Menschen in Kolumbien die Geselligkeit pflegen, wie Fussball doch zuammenschweisst  und die Kolumbianer die Lebensfreude und Feierlaune zelebrieren wie keine anderen.

Es ist ein denkwürdiger Nachmittag. Nicht nur für unsere deutschen Freunde, sondern auch für uns. Denn nichts geniessen wir mehr, als mit Einheimischen zusammenzusitzen, zusammen zu lachen, Gesichtern zu erzählen oder gar zu singen. Denn wie wir erst später erfahren, mischt sich gar ein bekannter kolumbianischer „Cantor“ unter die Gäste. Stolz zeigt uns Gustavo Ruiz seine Platten die an der Wand hängen, singt uns ein Ständchen und feiert ebenso mit uns allen mit.

Nicht nur freut sich Gustavo ungemein uns eine künstlerische Einlage vortragen zu dürfen auch hat er neue Fans gewonnen. Und so bekommen wir ganz nach alter Manier ein kleines Geschenk in Form einer CD inklusive Widmung des netten kolumbianischen Sängers Gustavo Ruiz.

Es ist ein feuchtfröhlicher Abschluss unserer Kolumbienreise. Ein Abschluss der besser gar nicht hätte sein können. Nicht nur haben uns die Kolumbianer derart herzlich aufgenommen, auch haben sie uns während der fünf Wochen eine Seite ihres Landes gezeigt, die in der Welt noch nicht angekommen ist. Denn auch heute noch hängt ein schlechter Ruf über dem Land. So fragte mich, insbesondere an diesem einen Nachmittag, nicht nur einmal jemand Dinge wie: „Was erzählst du den Menschen zu Hause über Kolumbien?“, „War es wirklich so gefährlich wie berichtet wird?“ – NEIN! Denn nicht einmal während der letzten fünf Wochen habe ich mich nur annähernd unwohl gefühlt. Nicht einmal habe ich mich als Tourist nicht willkommen gefühlt und nicht einmal haben wir die Entscheidung bereut, das Land mit dem schlechten Image selbst zu bereisen. Ich liebe Kolumbien, insbesondere der Menschen wegen und habe selten ein Land so ins Herz geschlossen wie das südamerikanische Juwel im Norden des Kontinents.

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