Im Sekundentakt schwanken wir hin und her, fahren über eine kurvenreiche Strasse – wie so oft in Kolumbien. Während sich vor uns eine junge Dame ihrem Mageninhalt entledigt, bin ich heilfroh für einmal ein Mittel gegen Reiseübelkeit eingenommen zu haben. Denn obschon sonst nie nötig, kennen wir mittlerweile die Fahreigenschaften der Kolumbianer und die sind beim besten Willen nicht die besten. Während die Kurven im Sekundentakt geschnitten werden, das Tempo eher zweitrangig zu sein scheint und Kupplung, Gas und Bremse unkoordiniert gebraucht werden, fahren wir durch Täler, über Hügel, an wunderschönen Landschaften vorbei. Das Gesehene macht, trotz erschreckendem Fahrstil, bereits Lust auf mehr. Salento heisst unser nächstes Ziel. Ein kleines Städtchen inmitten der Kaffeeregion Kolumbiens gelegen, das uns aber nicht grundsätzlich deswegen anzieht. Vielmehr ist es das Wahrzeichen dieser Region schlechthin, das uns einen Zwischenstopp im ländlichen Kolumbien einlegen lässt…
Es ist bereits abends als wir schliesslich wohlbehalten in Salento, etwas südlich von Medellin gelegen, ankommen. Mit seinen knapp 7000 Einwohnern ist Salento ein kleines gemütliches Pueblo, das zweifelsohne zum Verweilen einlädt. Auch wir machens uns erstmal gemütlich, geniessen die Tage in unserer familiären Unterkunft, in welcher wir von Ruby, unserer Gastmutter wie ihre eigenen Kinder verwöhnt werden. Aber auch Salento selber ist ein schönes, buntes, freundliches kleines Dorf inmitten des grünen Kaffee-Dreiecks Kolumbiens, das gefällt.

Salento
Obschon wir uns wohl mittlerweile an so manchen Orten gemütlichen einrichten, uns eine schöne gemütliche Basis für entspannte Tage schaffen können, haben wir andere Pläne. Das Valle de Cocora nämlich ist nur eines der zahlreichen wunderschönen kleinen Täler rund um Salento. Überhaupt strahlt der Ort auf einem kleinen Plateau gelegen eingebettet in saftigem Grün eine wunderbare Atmosphäre aus.
Mit einem „Willys-Jeep“, dem Fortbewegungsmittel schlechthin, machen wir uns auf den Weg ins bekannte Tal. Arbeiter, Frauen mit Kinder, alte und junge Menschen, alle nehmen sie Platz auf der Ladefläche des Jeeps. Nur für uns bleibt keinen Platz mehr, denken wir zumindest. Denn obschon der Jeep zum Bersten voll zu sein scheint, werden wir kurzerhand auf den Jeep verfrachtet und fahren schliesslich auf dem Trittbrett der Ladefläche stehend, uns am Rahmen des Fahrzeugs haltend, die kurvige Strasse hoch zum Valle de Cocora. Dunkle, fast schon schwarze Wolken ziehen über das Tal . Etwas mulmig ist uns tatsächlich zumute, haben wir uns doch von den bisher ziemlich warmen Temperaturen leiten lassen und uns entsprechend für die Kurzversion unseres Wanderoutfits entschieden. Auch der leichte Wind kühlt merklich ab, so dass uns kaum an der Endstation angekommen, fast nichts mehr hält, wir wollen los!
Der Weg führt erst wunderschön über grüne, saftige Wiesen, vorbei an kleinen Fincas, entlang eines kleinen Baches. Während neben uns die Kühe grasen, fühlen wir uns schon fast wie auf einer Wanderung in den Schweizer Alpen. Nie hätten wir uns Kolumbien so vorgestellt, wie sich uns das Land selbst präsentiert. Kleine Dörfer, Landwirtschaft eine ländliche Kultur, die tatsächlich in vielerlei Hinsicht an unsere Heimat erinnert.
Von weit her sehen wir sie bereits, die Wachspalmen und gleichzeitige Wahrzeichen des Tals. Vorher aber tauchen wir ein in einen dichten Wald. Weiter führt der Weg entlang des Flusses und nicht nur einmal gilt es diesen über mehr oder weniger stabile Hängebrücken zu passieren. Wir fühlen uns schon fast auf den Spuren Indiana Jones, als wir schliesslich gar den Fluss ohne das Wissen wo der Weg nun tatsächlich durchführt, überqueren müssen.
Natürlich können wir den Weg auch abkürzen, eine etwas kürzere und gleichzeitig leichtere Version wählen, wir allerdings verfolgen im dichten Wald den Weg suchend ein ganz anderes Zeil. Eine kleine Kolibri-Farm befindet sich tief im Wald an einer kleinen Waldlichtung. Und dafür nehmen wir die paar wenigen Kilometer mehr sehr gerne in Kauf. Klein, Flink, fast schon unscheinbar fliegen sie uns um die Köpfe. Es ist ein einmaliges Schauspiel, dass uns die kleinen Vögel am frühen Morgen inmitten des Valle de Cocora vorführen. Nicht nur geniessen wir das wunderbare Naturschauspiel, auch stärken wir uns mit einer herrlichen heissen Schoggi à la Colombia.
EIn letztes Mal steigen wir hoch, erklimmen einen kurzen aber knackigen Hang um am höchsten Punkt, „La Montana“ genannt, unserer heutigen Wanderung anzukommen. Von hier aus geniessen wir nicht nur einen wunderschönen Blick übers Tal auch führt uns unser Weg fortan nur noch talwärts.

Blick von unten auf die Wachspalmen
Das eigentliche Highlight der gemütlichen sechsstündigen Wanderung allerdings lässt etwas auf sich warten. Denn erst auf den letzten Kilometer schliesslich sehen wir sie, die Wachspalmen. Unglaublich hoch ragt er in die Höhe, der kolumbianische Nationalbaum. Nirgends auf der Welt gibt es diese Art von Baum, entsprechend einmalig ist der Blick auf das Palmental.
Es ist ein grossartiger Blick, die Stimmung aufgrund der Wolken mystisch und magisch zugleich. Umso vergnügter machen wir es uns auf der Wiese unter den Palmen gemütlich, geniessen den Ausblick und fühlen uns einmal mehr in eine andere Welt versetzt.
Es sind aber nicht nur die Wachspalmen, resp. das Valle de Cocora, das uns nochmals eine ganz andere Seite Kolumbiens zeigt. Denn nicht nur naturtechnisch tauchen wir ins kolumbianische Leben ein, auch kulturell. Tejo, heisst das Nationalspiel, das in jeder Ecke, in jedem Park in jeder Stadt zuhauf gespielt wird. Vorwiegend Männer frönen diesem speziellen, durchaus aber lustigen Spiel. Höchste Zeit also auch für uns dieses ebenfalls auszuprobieren. Zusammen mit Frank, einer deutschen Reisebekanntschaft, wagen wir uns an das Bowling à la Colombia. Statt einer Kugel, wirft man einen Stein und statt Kegel gilt es Papiertütchen gefüllt mit Schwarzpulver auf einem Metallring liegend zu treffen.
Bei jedem Treffer schliesslich gibt es eine kleine Explosion, Spannung pur! Während die Einheimischen einen etwas weiteren Abstand wählen, ist es für uns bereits ziemlich schwierig die kleinen Papiertütchen bereits von relativ nah zur Explosion zu bringen.
Explosiv und aufregend sind nicht nur die Stunden in der Tejo-Halle, auch die Tage in Salento verfliegen voller Spannung, denn das kleine Örtchen hat derart viel interessantes zu bieten, dass auch hier die Zeit einmal mehr viel zu schnell vergeht. Es zieht uns weiter, weiter gen Süden. Und obschon bereits das nächste Land auf uns wartet, bleibt noch ein letzter Zwischenstopp in Kolumbien. Ein Stopp der uns nochmals so einiges abverlangt…