Heiss, staubig, und laut begrüsst uns die nah an der venezolanischen Grenze gelegene Küstenstadt Santa Marta. Knappe vier Stunden Busfahrt und weniger als 220 Km trennen Santa Marta von Cartagena und trotzdem könnten die beiden Städte unterschiedlicher gar nicht sein. Ein Wohlfühlort ist Santa Marta mitnichten und trotzdem legen wir in der von venezolanischen Flüchtlingen geprägten Stadt einen Stopp ein, denn Santa Marta hat weitaus mehr zu bieten als nur Stadt, liegen in unmittelbarer Nähe doch wunderschöne Strände, Riffe zum Tauchen und die weltbekannte Ciudad Perdida, welche nur über eine viertägige Wanderung durch den Dschungel erreicht werden kann. Vielleicht aber ist es das Präsidentschaftswahlwochenende, welches in Kolumbien so ziemlich alles zum Erliegen bringt, vielleicht ist es die Hitze, vielleicht aber auch nur die Lust auf etwas anderes. Denn einmal mehr entscheiden wir uns in letzter Sekunde um, und kehren der Karbikküste Kolumbiens bereits nach etwas mehr als einer Woche den Rücken, lassen die Hitze hinter uns und fahren auf relativ direktem Wege ins Hochland, mitten hinein in die Region Santander mit ihren wunderschönen süssen kleinen Bergdörfern.
Eine lange Busreise erwartet uns. Eine Reise mit äusserst komfortablen Bussen zwar und dennoch eine Reise die an den Kräften zehrt. Das erste Mal nämlich kommen wir mit den fahrenden kolumbianischen Gefrierschränken in Kontakt. Übertrieben werden die Busse in Kolumbien auf gefühlte -10° Celsius runtergekühlt. Es ist bitterkalt, an Schlaf kaum zu denken. Und dennoch verstreicht die Zeit, wenn auch nur äusserst langsam, und so erreichen wir nach weniger als 10 Stunden unser Zwischenziel Bucaramanga. Von hier aus geht es mit einem weiteren Bus hoch in die Berge. Konnten wir aufgrund der Dunkelheit bisher noch nicht viel von der sagenumwobenen Region Santander sehen, werden wir spätestens jetzt gänzlich entschädigt. Zahllose Windungen kämpft sich der Bus nach oben. Steile, felsige Bergkämme im Hintergrund, unmittelbar vor uns sattgrüne Wiesen, hohe Gräser die sich im Wind wiegen und dazwischen tiefe Schluchten vollenden das eindrucksvolle Landschaftsbild. Hier wo sich die ersten Berge erheben, hier beginnen die Anden. Ein fantastischer Augenblick, haben wir uns doch schon seit Monaten auf die pittoresken Landschaften der Anden gefreut. Zugegeben, dieses Gebirge bereits zu den Anden zu zählen ist ein bisschen weit gegriffen, rein faktisch allerdings mehr als korrekt. Die Sierra, wie sie in Kolumbien genannt wird jedenfalls strahlt in saftigem Grün.
Ein einzigartiger, fast schon magischer Charme besitzt das kleine Dörfchen Barichara. Am Rande einer Hochebene gelegen, besticht das Dorf vor allem durch die mit Kopfstein gepflasterten Strassen, die noch wie vor Jahrhunderten mit rostroten Ziegeln gedeckten, höchstens einstöckigen Häusern gesäumt sind und den malerischen Aussichten am Rande des Dorfes.

Barichara
Das malerisch verträumte Städtchen mit seinen rund 7000 Einwohnern gilt für viele Kolumbianer als eines der schönsten, wenn nicht gar als das schönste Städtchen Kolumbiens. Mit seinen bunten Türen, verwinkelten gemütlichen Gassen und frischem Auftreten ist dies ein Ort zum Entspannen und Energie tanken. Nach der Zeit in Grossstädten mit ihren intensiven Geräuschkulissen genau das Richtige für uns. Der Ortsname „Barichara“ bedeutet im Dialekt des hier ursprünglich beheimateten indigenen Volkes der „Guane“ nicht umsonst „Platz zum Ausruhen“.
Wie in den meisten Städten Zentral- und Südamerikas scheint sich auch in Barichara das meiste Leben auf dem Parque Central abzuspielen. Geniessen vor allem Morgens noch eher ältere Menschen die Ruhe im Park, bevölkern Nachmittags nach Schulschluss zig Schüler den Platz rund um den zentral gelegenen Brunnen.

Blick vom Parque Central auf die Catedral de al Inmaculada Concepcion
Auch für uns ist der Park immer wieder Anlaufstelle, kann man hier doch am besten das ruhige Treiben der Stadt beobachten, während im Hintergrund wohl das beeindruckendste Bauwerk Baricharas, die Catedral de al Inmaculada Concepcion mächtig emporragt. Der doppeltürmige, mächtige Sandsteinbau aus dem 18. Jahrhundert dominiert zweifelsohne den Park und mit ihm das gesamte Stadtbild.

Catedral de al Inmaculada Concepcion
Nicht nur fasziniert uns das äusserst hübsche Stadtbild, auch sind wir von der umgebenen Landschaft von Beginn an hin und weg.

Blick in die Sierra
Am intensivsten lässt sich die atemberaubende Natur rund um Barichara auf dem Camino Real auskundschaften. Ein uralter gepflasterter Weg führt über rund neun Kilometer ins Dorf Guane, das nach dem hier früher lebenden indigenen Volk benannt ist.

Camino Real
Der Weg führt durch eine idyllische, herrlich ruhige Natur und bietet fesselnde Ausblicke.

Unterwegs auf dem Camino Real
Nach weniger als zwei Stunden schliesslich erreichen wir das kleine, typisch kolumbianische Örtchen Guane. Wirklich nicht mehr als ein kleines Dorf mit nur wenigen Gassen und einer schönen zentral gelegenen Plaza, um die herum sich koloniale Bauten und die Dorfkirche Santa Lucia gruppieren.

Guane

Santa Lucia

Am Ende des Camino Real
Wer Kolumbien hört, verbindet dies relativ schnell mit Fussball. Dass Fussball allerdings tatsächlich zu der populärsten Sportart in Kolumbien zählt, erfahren wir nur einen Tag später. Noch vor der offiziellen WM nämlich, während eines simplen Freundschaft-, resp. Testspiels gegen einen unbedeutenden Gegner färbt sich die halbe Stadt gelb. In den zig kleinen Tanta-Emma-Läden, die gleichzeitig, Kneipe und „Public Viewing“ sind, versammelt sich jung und alt um leidenschaftlich und enthusiastisch dem Spiel beizuwohnen. Auch wir werden vom Fussballfieber angesteckt und freuen uns nun noch mehr auf die bevorstehende WM.
Ein weiteres Mal eher ungern verlassen wir das kleine beschauliche Städtchen Barichara, freuen uns aber auf einen zweiten kleinen Abstecher, bevor wir die Hauptstadt Kolumbiens ansteuern und damit ins Grossstadtleben zurückkehren. Villa de Leyva die etwa mittig zwischen Barichara und Bogota gelegene Stadt im Departamento Boyacá weist einige Ähnlichkeiten mit Barichara auf. Wieder so ein schöner und blitzsauberer kleiner Ort mit zahlreichen kopfsteingepflasterten Gassen, dessen besonderer Charme durch die im Kolonialstil erbauten Häuser zum Ausdruck gebracht wird. Mit rund 17’000 Einwohner ist die Stadt zwar mehr als doppelt so gross, trotzdem besticht Villa de Leyva durch seinen gemütlichen und friedlichen Charakter. Auch wenn man sich in den malerischen Gassen schnell und einfach verliert, um das eigentliche Highlight Villa de Leyvas kommt man dennoch nicht drum herum. Im Herzen des Dorfes nämlich präsentiert sich der Plaza Mayor, mit rund 14’000m2 der grösste freistehende Hauptplatz in ganz Südamerika.

Plaza Mayor
Unsere Tour durch die Dörfer der Sierra schliessen wir mit einer kurzen aber knackigen Wanderung zum Aussichtspunkt „El Santo“ hoch über der Stadt Villa de Leyva ab. Dort wo die Christus-Statue hoch über Villa de Leyva thront, geniesst man einen einmaligen Ausblick über die Stadt. Hoch oben mit Blick über die Weiten der hügeligen Landschaft kosten auch wir nochmals die letzten Abendstunden aus, geniessen, bevor wir zurückkehren in die irre Welt des Grossstadtdschungels.

„El Santo“