Lautes Knattern durchdringt die sonst so ruhigen Strassen San Pedros. Weihrauchwolken verströmen einen aromatischen Duft, während sich wohl sämtliche Einwohner San Pedros auf den Gassen rund um den Marktplatz tummeln. Es ist Palmsonntag. Ein wichtiger Tag im Leben der Guatemalteken. Denn dies ist der Tag an welchem die Zeit etwas langsamer zu ticken beginnt, die Arbeit von vielen niedergelegt wird, Schulen geschlossen sind und sich alle und alles auf die so wichtige Woche konzentriert. Wir freuen uns die Semana Santa, das wohl wichtigste Fest des Jahres inmitten unserer lieben guatemaltekischen Familie verbringen zu dürfen und Teil dieses unglaublich interessanten Brauchtums zu sein. Denn christliche Feste werden in Guatemala mit besonderer Inbrunst und Hingebung begangen, so auch die Osterwoche.
Mit der Prozession am Palmsonntag wird die Semana Santa, die heilige Woche eingeläutet. Bis zum Ostersonntag finden in dieser Zeit täglich Prozessionen und spezielle Gottesdienste statt und es werden diverse Brauchtümer ausgeübt. Wir sind beeindruckt mit welch Hingabe die hiesige Bevölkerung diesen Bräuchen nachgeht. Mit jedem Tag dem wir uns dem wichtigsten Tag im christlichen Kalender, dem Karfreitag nähern, nehmen auch die Bräuche resp. Grösse der Prozessionen zu. Täglich werden neue Vorbereitungen getätigt. Auf dem Kirchplatz inmitten des Dorfes lässt sich genau dies besonders gut beobachten. Frauen, Kinder, aber auch Männer, von alt bis jung, alle schmücken sie die Strassen. Von Tag zu Tag verändert sich so San Pedro ein kleines bisschen mehr.

Ostervorbereitungen
Spätestens am Gründonnerstag nämlich schmücken zahlreiche Früchte die Gassen San Pedros. Als eine Art Opfergabe wird dieses Aufhängen von Bananen, Ananas, Äpfeln, Mangos und vielem mehr begründet.
Der Stolz auf die getane Arbeit aber auch die Vorfreude auf das grosse Fest ist den Männern bereits von Weitem anzusehen. So müssen wir für einmal nicht nach einem Foto fragen, vielmehr bitten sie gar darum.
Mit dem Viernes Santo, oder auch Karfreitag genannt, erreichen die Festlichkeiten ihren Höhepunkt. Bereits Mitten in der Nacht beginnen die Familien in San Pedro Millionen bunter Sägespäne in kunstvollen Mustern zu Teppichen auf die Strasse zu legen. Die sogenannten Alfombras sind ein sinnfälliger Ausdruck der Frömmigkeit ihrer Gestalter. Es überrascht daher in keinster Weise, dass das Ausgestalten der Teppiche normalerweise Stunden, wenn nicht gar die ganze Nacht in Anspruch nimmt. Während wir uns nämlich frühmorgens durch die Gassen San Pedros bewegen, sind bereits etliche Strassen mit den bunten, wunderschön verzierten Alfombras geschmückt. Zahlreiche Frauen und Männer arbeiten aber nach wie vor unermüdlich an der Ausgestaltung dieser Blumenteppiche.

Die letzten Alfombras werden noch frühmorgens fertiggestellt
Auch Francisco, der Lehrer von Dominique, nimmt mit Freunden an diesem einzigartigen Brauchtum teil. Die ganze Nacht haben er und seine Freunde an ihrem Teppich gearbeitet. Übermüdet aber mit einem riesigen Stolz erzählen sie uns freudig von dieser einen Nacht im Jahr, die einen so besonderen Stellenwert für die jungen Männer hat.

Francisco mit seinen Freunden
Dass sich die harte Arbeit lohnt, zeigt sich im Resultat. In wunderschönen Farben strahlen die Gassen San Pedros an diesem Morgen. Blumen, Sägespäne, Früchte alles wurde zu wunderschönen Mustern drapiert.
Der Höhepunkt des Viernes Santo wird schliesslich mit einer grossen Prozession gefeiert, welche die 14 Stationen des Kreuzweges, die die Alfombras versinnbildlichen, nachgeht. Es scheint als sitze keine Menschenseele mehr zu Hause. Die engen Gassen sind dicht bevölkert. Frauen tragen ihre wunderschöne traditionelle Kleidung. Schon seit dem ersten Tag in diesem aussergewöhnlichen Land ist uns aufgefallen: Kein anderes Land trägt seine traditionelle Kleidung so konsequent und so stolz wie die guatemaltekischen Frauen. So auch Rosa unsere Gastmutter und deren gesamte Familie. Ich freue mich daher umso mehr, darf auch ich, zusammen mit unserer Gastschwester Stephanie aus Kanada an diesem besonderen Tag in eine dieser Trachten schlüpfen. Die Trachten der Guatemalteken fallen durch ihre Farben auf. Die verschiedenen Elemente dieser traditionellen Kleidung variiert je nach Dorf und Region. So darf ich die offizielle Tracht des Nachbardorfes San Juan tragen, während Stephanie eine Tracht des Dorfes Santa Cruz trägt. Obwohl sie in ihren Farben und Mustern alle ziemlich unterschiedlich sind, haben sie alle ein weites Hemd, das sogenannte Huipil sowie das Tuch, das als Wickelrock um die Hüften gebunden wird, gemeinsam. Der Rock schliesslich wird mit einem reich verzierten Gurt befestigt.

Rosa, Stephanie und ich in traditioneller Kleidung
Zusammen mit Rosa wohnen wir der farbenprächtigen Parade bei. Während wir durch die Gassen schlendern, den letzten Vorbereitungen zuschauen, erklärt uns Rosa interessante Dinge dieses speziellen Brauchtums.
Obwohl noch frühmorgens, steht bereits ganz San Pedro bereit. Mit Tüchern ausgestattet warten die katholischen Frauen auf das Vorbeiziehen der Prozession. Allesamt legen sie ein Tuch aufs Haar, senken ihre Köpfe und warten in schweigender Ehrerbietung auf den vorbeiziehenden Kreuzzug.
Das laute Rasseln der Ratschen schliesslich führt die Prozession an. Beeindruckt wohnen wir diese grossen Parade bei, sind erstaunt welch grosse Gestelle mit Figuren der Leidensgeschichte Jesu von eng hintereinander hergehenden Frauen und Männern durch die Gassen über die so hübsch hergerichteten Blumenteppiche getragen werden. Die ganze Arbeit der Nacht wird mit nur einer Prozession wieder vollends zerstört. Denn der Menschenzug bewegt sich nur sehr langsam voran, eine ganz bestimmte Schrittfolge wird von allen Teilnehmenden eingehalten. Ein anstrengendes, aber wohl genau deshalb ein überaus spannendes, grossartiges Schauspiel. Vorne rasseln die Ratschen, dazwischen hüllen Jugendliche die Szene mit ihren Weihrauchkesseln in ein mystisches Licht und ganz hinten wird die Prozession von einer traurigen Blasmusik begleitet. Bis auf die Ratschen und die Blasmusik herrscht absolute Stille. Besonders dann wenn die Prozession an jeder einzelnen Station Halt macht, wo über deren Bedeutung während des Kreuzzuges nachgedacht wird. In der hier vorherrschenden Maya-Sprache „Tz’utujil“ werden schliesslich Bibeltexte vorgelesen und gebetet, bevor die Prozession fortgesetzt wird. Bis zu fünf Stunden kann eine einzige Prozession dauern. Eine einmalige Ehrerweisung an Jesus Christus.
Immernoch total fasziniert von den heutigen Erlebnissen, begleitet uns Rosa mit ihrem Sohn Alex abends ins Nachbardorf San Juan. Noch viel grösser und schöner seien hier die Alfombras, welche für die dort stattfindende Nachtprozession erstellt werden. Wir könnens nach dem bisher Gesehenen nun wirklich kaum glauben, werden aber einmal mehr eines Besseren belehrt. Wurden in San Pedro verschiedene Materialen wie Sägespäne, Blumen, Früchte, Bohnen etc. zu Verzierzwecken benutzt, bestehen die Alfombras in San Juan fast ausschliesslich aus gefärbten Sägespänen. Ein Gemälde ist schöner als das andere. Allesamt mit Liebe zum Detail ausgearbeitet.
Während in den heimischen Gefielden die Osterfeierlichkeiten mit dem Karfreitag erst so richtig beginnen, bedeutet der Viernes Santo vielmehr Höhepunkt und Abschluss der hiesigen Feierlichkeiten. Allerdings will es die Tradition so, dass sich am Karsamstag die meisten Familien an einen Strand am See begeben, typischerweise eine Fischsuppe kochen, im See baden, einen schönen Tag mit der Familie am See verbringen und somit die heilige Woche feierlich beenden. Auch wir dürfen dieser Tradition beiwohnen. Jeder einzelne Tisch am See ist besetzt. Familien sitzen zusammen, lachen, kochen, Kinder spielen auf dem nebenanliegenden Spielplatz und die hartgesottenen unter ihnen nehmen gar ein Bad im See. Wir geniessen das Familienfest mit Nichten, Neffen, Enkelkinder, Bruder und Schwester und fühlen uns vom ersten Moment an wie ein Teil der Familie.
Es ist schwierig zu beschreiben, welch Gefühle, welch Emotionen die Zeit in der Familie von Rosa und Sebastian in uns ausgelöst hat. Unglaublich herzlich wurden wir aufgenommen, trotz sprachlicher Probleme wurde uns mit viel Geduld zugehört, geholfen, unterstützt und das mit einer Herzlichkeit die wir selten so ausgeprägt erleben durften. Unsere „Familia Guatemalteca“ hat uns derart viel gezeigt, uns an deren Leben teilhaben lassen. Ein Einblick in die Kultur Guatemalas, die wir sonst wohl auf keine andere Weise so intensiv erlebt hätten. Der gesamten Familie Ixmata wird stets ein Platz in unseren Herzen gehören.

Pasamos un tiempo maravilloso en tu familia, gracias por todo!!!
Liabi Irene und Dominique
Mit grosser Freud hend miar eura blog glesa und dia wunderschöna fotos agluaget. asch super wia iar das machen. witer aso as grüasst us der ferna heimat Mama und köbi
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