Chichicastenango – Wir stürzen uns ins Getümmel des grössten Marktes Mittelamerikas

Jeweils donnerstags und sonntags verwandelt sich die kleine indigene Gemeinde Chichicastenango auf 2000 Meter über Meer inmitten des Hochlands Guatemalas gelegen in einen riesigen, farbenprächtigen Markt. Ein Farbspektakel sondergleichen, ein emsiges Treiben der hier einheimischen Quiché sowie ein Mix aus Händlern und Käufern aus ganz Guatemala soll uns erwarten. Obwohl wir fast alle Vorhaben aufgrund des doch sehr anstrengenden Unterrichts gestrichen haben, lassen wir uns den wohl grössten und farbenprächtigsten Markt Zentralamerikas nicht entgehen. Und so machen wir uns von San Pedro aus auf den Weg ins Departement El Quiché nach Chichi, denn Sonntags ist Markttag!


Selbstbewusst stehen wir an der Bootanlegestelle von San Pedro, denn mit unseren neu erlernten Spanischkenntnissen fühlt sich alles so viel einfacher, soviel entspannter an. Es ist noch früh am Morgen, ausser ein paar Einheimischer, treffen wir auf fast keine Menschenseele. Der See ist ruhig, die Sonne spiegelt sich auf dem Wasser, während der Tag erwacht. Ein kurzer Schwatz mit dem Bootsführer und ich weiss, unsere Lancha fährt in ca. fünf Minuten ab. Ruhig schippern wir über den See. Der Wind bläst uns ins Gesicht, während die Sonne uns angenehm wärmt.

Lancha-Port in San Pedro

Panajachel, der grösste Ort am Lago di Atitlan ist unser Ziel, von wo aus uns schliesslich verschiedene Busse nach Chichicastenango bringen. Es dauert keine 10 Minuten bis ein bunt angemalter amerikanischer Schulbus um die Ecke kommt, hupt, anhält uns zackig einsteigen lässt, bevor dieser kaum angehalten wieder mit lautem Motorengehäul davonbraust. Chickenbusse werden die hier üblichen Lokalbusse auch genannt. Ein abenteuerliches Transportmittel, nicht nur der halsbrecherischen Fahrweise wegen, vielmehr wird allerlei mit diesen Bussen transportiert. Von Motorrädern, riesigen Maissäcken, über Fahrräder bis hin zu Hühnern, die den Bussen wohl den bekannten Übernamen verpasst haben, sehen wir so ziemlich alles.

Camionetta oder auch als Chickenbus bekannt

Da meist nur kurze Strecken mit diesen Bussen zurückgelegt werden, müssen auch wir  dreimal das Transportmittel wechseln. Je nach Musikgeschmack des Fahrers manchmal gar nicht so schlimm, bekommt man doch die volle Dröhnung ab, ohne dass auch nur ein Wort des Nebenmannes verstanden werden kann. Wir geniessen die Fahrt dennoch, quetschen uns an der Verzweigung Los Encuentros in ein letztes Collectivo bis wir schliesslich nach rund zwei Stunden Fahrt unser Ziel Chichicastenango in den Bergen Guatemalas erreichen.

Unterwegs im Chickenbus

Obwohl noch früher Morgen herrscht auf dem Markt bereits ein geschäftiges Treiben, alles aber total unaufgeregt und entspannt. Meist treffen die Händler bereits am Vorabend ein, entsprechend locker und freundlich geht hier alles zu und her. Nur merken wir bereits beim ersten Gang durch einen Teil des Marktes, dass wir mit unserer Grösse alle überragen was uns zum einen einen guten Überblick verschafft zum anderen allerdings so ziemlich überall anecken lässt. Immer mal wieder werden wir zudem von einheimischen Quiché-Frauen angerempelt. Die Frauen transportieren alles Mögliche auf Kopf und Rücken. Schwerstarbeit, die eben auch dazu führt, dass unnötig im Weg stehende Touristen kurzerhand weggeschubst werden.

Bereits frühmorgens ist der Markt zum Bersten voll

In den kommenden Stunden verlieren wir uns im Labyrinth des Marktes, bestaunen die dargebotene Ware die von allerlei Gewebtem wie handbestickte Ponchos, Tücher, Kleider, über Töpferwaren bis hin zu diversen Alltagsgegenständen reicht. Ein kunterbuntes Durcheinander das gefällt.

Stoffverkauf unter Einheimischen

Ist es in den Gassen aufgrund der vielen Menschen bereits äussert eng, ist der Platz im eigentlichen Zentrum des Marktes noch einmal um ein Vielfaches begrenzter. In der Markthalle, die normalerweise als Basketballfeld benutzt wird, werden jeweils donnerstags und sonntags eifrig Geschäfte betrieben. Es wird gehandelt, gekauft, diskutiert und verkauft. Ein wildes Treiben, welchem ich gerne minutenlang zuschaue, denn es ist gleichermassen faszinierend wie entspannend.

In der „Markthalle“ in Chichi

Weiter schlendern wir über den Markt. Stundenlang. Es gibt so vieles zu entdecken, denn jede Gasse bietet wiederum eine andere Auswahl an Produkten an. Unseren persönlichen Lieblingsplatz aber schliesslich finden wir am eigentlichen Mittelpunkt des Marktes, rund um die Kirche San Tomas.

Blick über die Marktstände bis hin zur Kirche San Tomas

Auf den Stufen der Kirche bieten etliche Händlerinnen Blumen an, während immer mal wieder eine Prise Weihrauch zu uns hinüberweht.

Blumenmarkt

Die Kirche selbst ist ein weiterer Ort, an dem sich der Katholizismus und Mayarituale vereinigen. Ein undurchschaubares Gemisch und genau deshalb wohl so unsäglich interessant. Wie bereits in der Kirche Chamula in der Region Chiapas in Mexiko sind wir fasziniert, auch wenn die Bräuche hier nicht ganz so „krass“ ausgeübt werden. Uns gefällt dieser einmalige Mix aus Religionen trotzdem, den Papst selbst würde es wohl eher erzürnen.

Kirche San Tomas

Und für alle die sich nach wie vor mit dem Namen dieses einzigartigen Ortes schwer tun, alles halb so schlimm, solange man das wichtigste Wort zu sagen beherrscht, wie uns der Schriftsteller, Josef Reding lehrt:

„Das schwerste Wort heisst nicht Popocatépetl wie der Berg in Mexiko
und nicht Chichicastenango wie der Ort in Guatemala
und nicht Ouagadougou wie die Stadt in Afrika.
Das schwerste Wort heisst für viele: „Danke“.“

– Josef Reding

In diesem Sinne, Danke fürs Lesen! 🙂

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