„Noru“, ein Name der uns ganz und gar nicht gefällt. Denn Noru soll Regen, Überflutung und Verwüstung bringen. Noch während wir uns in Japan auf der Insel Kyushu befinden, wird uns von allen Seiten immer wieder vor diesem Taifun gewarnt. Obwohl er sich zu diesem Zeitpunkt noch weit im Pazifik befindet, gehört er zu einem der stärksten seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Menschen in Japan, insbesondere auf der Insel Kyushu bereiten sich auf den Sturm vor. Ich für meinen Teil wäre noch wenig beunruhigt, stünde nicht eine Fährüberfahrt nach Südkorea bevor. Um sich Sorgen zu machen, bleibt aber noch genügend Zeit, denn zuerst fahren wir an die nördliche Küste Kyushus, genauer gesagt nach Fukuoka.
Alles hat ein Ende und so neigt sich leider auch unser Japanabstecher dem Ende entgegen. Drei wahnsinnig interessante, skurille, anstrengende aber unglaublich bereichernde Wochen liegen hinter uns. Viel haben wir erlebt, viel gesehen, um tausende von Eindrücken sind wir reicher. In Fukuoka, unserem letzten Stopp in Japan unternehmen wir daher auch nicht mehr sonderlich viel. Wir merken, wir sind müde, fordert die Pace die wir hier an den Tag gelegt haben doch auch seine Tribute. Ein letztes Mal aber gönnen wir uns einen Spaziergang am Flussufer des Naka-gawa, setzen uns hin, lassen unseren Gedanken freien Lauf und erinnern uns mit vielen Anekdoten zurück an die letzten drei Wochen.

Flussufer des Naka-gawa
Glücklicherweise ist Noru doch noch zur Besinnung gekommen und hat sich zwischenzeitlich ein wenig abgeschwächt. Auch der Kurs hat sich geändert, sodass wir nicht mehr mit voller Wucht getroffen werden sollten. Glück gehabt! Dennoch aber hat das Fährunternehmen die Abfahrtszeit auf den Mittag vorverlegt, da die Ausläufer des Taifuns wohl gegen Abend die Küste erreichen werden. Für uns kein Problem, haben wir sowieso für einmal keine Pläne geschmiedet. Von Fukuoka aus, soll uns eine Fähre in nur drei Stunden nach Busan, Südkorea bringen. Ein wenig nervös bin ich trotzdem, handelt es sich bei diesem Schiff nämlich nicht um ein normales Schnellboot. Nein, heute überqueren wir das Meer mit einem sogenannten Hydrofoil-Boot oder auf deutsch auch Tragflügel- oder Tragflächenboot genannt. Mit dieser Technik lässt es sich deutlich schneller fahren, denn das Boot „schwebt“ schon fast über das Wasser, da der Rump des Schiffes das Wasser nicht berührt. Für alle die immer noch keinen Schimmer haben um was es sich hierbei handelt, bitteschön hier mit Bild:

Quelle: http://www.kobee.co.kr
Obwohl ich angesichts des etwas rauhen Meeres und stärkeren Windes doch etwas nervös bin, verläuft die Fahrt mehr als ruhig. Während den gesamten drei Stunden spürt man kaum etwas. Kleine, ganz leichte Schläge sind glücklicherweise das höchste der Gefühle. Ich für meinen Teil bin aber nicht unglücklich darüber, die Wellen nämlich sind ganz schön hoch.
Busan begrüsst uns mit riesigen Wolkenkratzern, hunderten von Frachtschiffen und zig mächtigen Brücken. Denn Busan die zweitgrösste Stadt Südkoreas liegt längs verteilt am südöstlichen Zipfel des Landes. Obwohl die Ankunft im neuen Land reibungslos verläuft merken wir relativ schnell, hier tickt alles wieder etwas anders. Haben wir uns doch in nur drei Wochen langsam an die zurückhaltende, höfliche japanische Kultur gewöhnt, welche wir im übrigen sehr zu schätzen gelernt haben, geht in Südkorea wieder alles viel rauher zu und her. Ohne zu wollen wird man wieder mit chinesichen Gepflogenheiten konfrontiert. Auch die Stadt scheint dreckiger als noch in Japan. Alles ist etwas schmuddelig. Bis auf die drei Wochen Japan, sind wir uns dies ja eigentlich gewöhnt, nur irgendwie haben wir uns den Start in Südkorea doch etwas anders vorgestellt. Wir mögen es für einmal überhaupt nicht, obwohl viele von Busan schwärmen. Noch heute erinnere mich an die Worte von Bianca, welche wir vor fast einem Jahr in Tagong an der tibetischen Grenze in China kennengelernt haben: „Japan war super, aus Südkorea wollte ich so schnell wie möglich wieder weg!“ Mag es evtl. an diesem Hintergedanken liegen? Lassen wir uns von anderer Meinungen und Erfahrungen derart stark beeinflussen? Wir versuchen dagegen anzukämpfen, uns ein eigenes Bild dieses Landes zu machen, und finden es schlussendlich auch, allerdings nicht sofort und nicht in Busan.
Busan selbst hat uns schlichtweg nicht überzeugt. Wir werden einfach nicht warm mit dieser Stadt. Es mag vielleicht auch einfach daran liegen, dass wir in einem dieser berühmt-berüchtigten Motels abgestiegen sind, in welchem ein etwas anderer Standard herrscht. Oder aber am Regen, der nämlich doch noch kommt und uns ein weiteres Mal die Decke auf den Kopf fallen lässt. Was es auch immer war, Tiefpunkte gehören ebenso zu einer Reise wie Höhenflüge und so gilt es auch diese zu überstehen und das Beste daraus zu machen.

Busan (noch) bei Sonnenschein
Was nicht ist, kann sich ändern, muss aber nicht! Und weil sich weder an unserer Stimmung noch Motivation etwas ändert, ziehen wir nur zwei Tage später weiter. Wir verlassen die erste Station in Südkorea etwas enttäuscht und fahren mit dem Bus ins ca. zwei Stunden entfernte Städtchen Gyeongju. Etwas weiter nordöstlich gelegen liegt die ehemalige Hauptstadt mit ihren unglaublich vielen historischen Stätten. Gyeongju wird auch das „historische Herz Koreas“ genannt und aufgrund der vielen historischen Bauten als „Museum ohne Mauern“ gehandelt. In einem diesmal süssen, sauberen Motel finden wir ein passendes Nachtlager und machen uns sogleich, diesmal mit vollem Tatendrang auf den Weg in die Stadt, resp. zu den historischen Stätten. Der wohl bekannteste und berühmteste Tempel der Stadt ist unser erstes Ziel. Bulguksa, ein Tempel etwas ausserhalb der Stadt gelegen ist einfach mit dem Bus erreichbar. Wir spazieren durch einen wunderschönen grünen Park bevor wir die ersten Tempelmauern erreichen. Obwohl der im Jahre 774 fertiggestellte Tempel während eines Krieges im 16. Jahrhundert zerstört wurde, ist dieser zwischenzeitlich wieder vollständig restauriert worden. Die Tempelanlage erstreckt sich auf verschiedenen Steinterrassen umgeben von riesigen wunderbar duftenden Pinien.
„Wenn es dunkel ist, müsst ihr unbedingt Cheomseongdae und den Anapji-Teich besuchen. Zwei weitere Wahrzeichen dieser Stadt.“, empfiehlt uns der Motelbesitzer. Wir folgen dem Rat und spazieren nach Einbruch der Dunkelheit in Richtung dieser Stätten. Der Cheomseongdae sieht auf den ersten Blick aus wie ein stinknormaler Turm. Dass es sich hierbei allerdings um die älteste Sternwarte Asiens handelt, denkt man im ersten Moment kaum. Die Basis besteht aus 12 Steinen, welche die Monate symbolisieren. Die 30 übereinanderliegenden Schichten stehen für die Tage eines Monats.

Cheomseongdae
Gar nicht weit entfernt befindet sich der berühmte Anapji-Teich. Besonders nachts, wenn es dunkel ist zieht er die Leute an. Der künstlich angelegte Teich mit seinen Pavillions am Ufer wird wunderschön beleuchtet. Ein kleiner Weg führt rund um den Teich und bietet verschiedene Blickwinkel auf die bleuchteten Pavillons.

Anapji-Teich mit Pavillon
Die Umgebung von Gyeongju ist neben seiner kulturellen Vielfalt auch für seine umliegenden Berge und Hügel bekannt. Wunderbare Wanderungen lassen sich hier unternehmen. Nur leider hält auch hier der Regen an und da sich leider nicht viel machen lässt bei Regenwetter, wir resp. nicht viel Lust verspüren im Regen herumzulaufen, Sightseeing zu machen oder gar zu wandern, ziehen wir ebenfalls relativ schnell weiter.
Einmal quer durchs Land heisst unser nächstes Ziel Jeonju. Die Stadt, die wohl in jedem Südkorea-Reiseführer nach Seoul als erstes genannt wird, zieht auch entsprechend viele Menschen an. Hier werden wir tatsächlich das erste Mal so richtig herzlich begrüsst, sodass wir uns von Anfang an wohl fühlen. Auch das Wetter meint es wieder gut mit uns, denn die Sonne brennt hinunter. Die Altstadt von Jeonju, das Hanok-Dorf ist das Highlight dieser südkoreanischen Stadt. Auch wenn vieles im koreanischen Kitsch verziert ist, mögen wir das Flanieren durch die Gassen. Auch die koreanischen Touristen geben ihr Bestes und zeigen sich von ihrer für uns so typisch koreanischen Seite. Über die Hälfte nämlich spaziert in geliehenen traditionellen Kleidern, auch Hanbok genannt, und mit Selfiestick ausgerüstet durch die Gassen um vor jeder Laterne, jeder Eingangstüre und jedem Pflasterstein ein Photo von sich im Kostüm zu schiessen. Wir amüsieren uns ein weiteres Mal köstlich denn ohne Humor könnte man das Schauspiel kaum aushalten. Möchte man dem Trubel rund ums Altstädtchen etwas entfliehen, bietet sich der kleine Hügel inmitten der Stadt an. Die Sonne neigt sich dem Horizont entgegen, perfekte Zeit also für einen kurzen Spaziergang ins Grüne. Von oben hat man einen schönen, nicht zu verachtenden Blick über die Dächer der Altstadt.

Hanok-Dorf Jeonju
Der Magen knurrt, es ist Zeit fürs Abendessen. Und hier offenbaren sich endlich wieder Möglichkeiten die wir länger nicht mehr hatten. Einfache koreanische Streetfoodstände findet man verteilt in der ganzen Stadt. Jeonju ist neben der Altstadt nämlich auch für sein Essen bekannt. Hier bekommt man neben Bibimbap, was in fast jedem Restaurant angeboten wird, Fleisschpiesse in jeglicher Variation überbacken mit dem hier berühmten Imsil-Käse, Mun Ggochi – Oktopus-Spiesschen, gegrillter Käse, Sodamgol – Dumplings in sämtlichen Ausführungen sowie Glace und Süssgetränke in sämtlichen Farben. Wir schlemmen uns durch die Küche und geniessen es für einmal nicht in einem Restaurant Platz nehmen zu müssen.
Ist der Magen voll, sind auch wir glücklich und so steigt unsere Laune von Tag zu Tag. Aber Südkorea, du kannst definitiv auch anders. Lass uns das noch steigern! 🙂