Mit Sack und Pack machten wir uns am Abend des 16. Juli auf den Weg in Richtung Jaroslaver Bahnhof.
Viel zu früh am Bahnhof angekommen horteten wir unser Gepäck erstmal im Luggage store. Wir assen noch eine Kleinigkeit, schlenderten durch den Bahnhof und warteten bis unser Zug auf der digitalen Anzeigetafel erschien. Zugegeben, ein bisschen nervös waren wir schon…haben wir uns nun doch schon sehr lange mit diesem Teil der Reise beschäftigt und nun geht es in wenigen Stunden tatsächlich los. 🙂
Gleis Nr. 5, unser Zug war parat – los geht’s! Am Wagen Nr. 1 angekommen begrüssten wir unsere Prowodniza (gute Fee, oder auch Schaffnerin des Wagens, welche saugt, putzt, Kaffee zubereitet und insbesondere schaut, dass alle rechtzeitig und am richtigen Ort aussteigen etc.).
Wir bestiegen den Zug und suchten unser Abteil. Wie waren wir doch auf unsere Kabinengenossen gespannt. Und siehe da -Jackpot! „Oh je..“war wohl im ersten Moment unser beider Gedanke. Zwei russische Männer wie aus dem Bilderbuch machten es sich im Abteil bequem. Uns schwante böses.. Vielleicht haben wir es ja auch etwas hinaufbeschwört..;-) Aber schliesslich wollten wir das wahre Russland mit allem was dazu gehört erleben. Und Vorurteile sind Urteile, welche meist ja eh nicht stimmen…so auch hier! Denn mit Igor (ja, hab ichs nicht gesagt) und Nikolaj taten wir wohl diesbezüglich einen Glücksgriff. Nachdem der Zug abgefahren war, packten die beiden ihr Nachtessen aus – Krakauerwurst mit Brot. Es gesellte sich noch ein Freund der beiden zu uns und brachte den obligaten Wodka mit. Haben wir es nicht bereits geahnt? Wurst, Brot und Wodka musste selbstverständlich mit allen, vor allem mit den zwei „Touristi“ im Abteil geteilt werden – oje! Wir versuchten möglichst höflich abzulehnen, bekamen dafür aber einfach einen kleineren Schluck Wodka – ein Nein wurde nicht akzeptiert. Natürlich liessen auch wir uns nicht lumpen und packten unsererseits unseren mitgebrachten Salsiz und Schoggi aus. Die drei Freunde sprachen kein Wort Englisch und Russisch liegt uns bekannterweise ja auch nicht wirklich. Wir begannen daher wieder unser schauspielerischeres Talent auszupacken, wodurch die Kommunikation erstaunlich gut gelang. So fanden wir heraus, dass allesamt zusammen als Brückenbauer arbeiten. Ihre Brigade umfasst 30 weitere Männer, welche ebenfalls in diesem Zug verteilt waren. Sie wohnen in der Nähe von Jekaterinenburg und müssen jeweils 30 Tage am Stück arbeiten und können anschliessend für die gleiche Zeitdauer nach Hause gehen. Als Brückenbauer sind Sie im ganzen Land tätig, so waren sie auch schon beim Bau der olympischen Anlage in Sotschi dabei. Wir plauderten, lachten, tranken mehr oder weniger Wodka und stossen auf „drushba“ (Freundschaft) an. Ein gelungener Abend, welcher mit dem Leerwerden der Wodkaflasche zu Ende ging.
Nachdem die beiden den Zug in Jekaterinenburg verliessen, gesellte sich in Tjumen Deniz zu uns ins Abteil. Er arbeitet für Gazprom in den Gasfeldern in Sibirien und war nun ebenfalls auf dem Nachhauseweg. Es war ihm deutlich anzusehen, dass er sich auf seine Familie freute. Er war eher der ruhige Typ was für uns in diesem Moment völlig in Ordnung war. Deniz nächtigte nur eine Nacht in unserem Abteil und verliess den Zug in Krasnojarsk.
Mit der Zeit wird es zunehmend anstrengend sich mit Menschen zu „unterhalten“ ohne eine gemeinsame Sprache zu sprechen. Aus diesem Grund hofften wir insgeheim auf keinen neuen Kabinengenossen – doch weit gefehlt! In Krasnojarsk stiegen Ira und ihr Mann (Name wissen wir leider nicht mehr, war etwas kompliziert) zu. Die beiden Sprachen ebenfalls kein Englisch, geschweige den Deutsch. Wie sie uns aber „erzählten“ kommen sie aus Baku (Asserbaidschan) und besuchen Ihre Tochter in Sludjanka am Baikalsee. Ira war eine richtige „Mamma“ und daher mussten natürlich alle erstmal verköstigt werden. Wir hatten eigentlich soeben gegessen und keinen Hunger mehr, ein Nein wurde aber auch hier nicht akzeptiert. So wurde uns schnell ein Brot mit Wurst gestrichen und in die Hand gedrückt. Am Abend versuchten wir uns noch in einem asserbaidschanischen Kartenspiel, komischerweise haben sich die Regeln immer so geändert, dass wir keine Chance hatten..nun wir überliessen unserem netten Herrn gerne den Sieg! 🙂
Die Verpflegung im Zug gestaltet sich relativ einfach. In jedem Wagen befindet sich ein sogenannter Samowar (Boiler mit abgekochtem Trinkwasser), mit dem man die auf den Perrons gekauften oder mitgebrachten Instant-Noodles, Suppen oder Kaffee aufgiessen kann. Des Weiteren hält der Zug immer mal wieder für ein paar Minuten (Halt reicht von 2 min. bis zu 45 min.). Auf den Perrons stehen zudem oft Babushkas (ältere Damen) die diverse Köstlichkeiten, wie z.B. Piroggen, Pelmeni, Omul, Früchte, Brot etc. verkaufen.
Wir haben im Vorfeld ja schon viel über die transsibirische Eisenbahn gelesen und waren daher unglaublich gespannt wie sich diese Zugfahrt anfühlt und was man dabei wohl alles erlebt. Nun eines vorweg – es ist grundsätzlich einfach eine lange, ja sehr lange Zugfahrt. Aber die Weite zu erleben ist schon ein einzigartiges Erlebnis. Hinzu kommt, dass man unglaublich tolle Bekanntschaften macht. Genau aus diesem Grund wollten wir nicht in der 1. Klasse reisen. Es ist spannend zu sehen, wieviele verschiedene Menschen diesen Zug benutzen um von A nach B zu gelangen. Die Distanzen sind unglaublich weit und die Menschen daher auf diese Art von Transportmittel angewiesen. Jeder Reisende bringt seine eigene Geschichte mit, schön durften wir auch unsere Geschichte mit ihnen teilen.
Am Morgen des 4. Tages im Zug kamen wir schliesslich in Irkutsk an. Die Zeit im Zug verging wie im Flug, dennoch sehnten wir uns nun nach nichts mehr als einer Dusche..